?? Wo bzw. was ist Zerstörerland ??
Vor vielen, vielen Jahren waren einige tapfere Männer ausgezogen, mit dem Ziel, die grünen
Hügel von Lindenfels auf Ihren Rennrädern zu bezwingen. Es war ein ganz normaler Samstag,
wie geschaffen zum Radtraining. Keiner der Männer wusste, dass nach diesem Tag nichts je wieder so sein
wird wie es vorher einmal war.
Wohlan machten sie sich auf ihren schicksalsreichen Weg und fuhren die Bergstrasse entlang, durch die
Orte Weinheim, Hemsbach und Heppenheim, um in Bensheim die ersten Anstiege hinauf nach Lindenfels zu meistern.
Gut gelaunt und frohen Mutes strampeln sie so vor sich hin. Keiner ahnte, dass das Unheil schon in der Nähe war
um Ihren Weg zu kreuzen.
Nach dem ersten kurzen Anstieg erspähten die heldenhaften Burschen ein ganzes Stück vor sich einen
fremden Radler. Als sie diesen in der Ferne erblickten, erwachte der Ergeiz in jedem einzelnen. Der in
den vielen Jahren, durch Arbeit und Alltag, in den Hintergrund gerückte Jagdinstinkt brach auf einmal
wieder aus und es ging ein Ruck durch ihre zähen und von abertausend Kilometern geplagten Beine.
Sofort zogen sie vor blinder Kampfeslust das Tempo an. Das Blut pulsierte wie wild durch ihre aufgeheizten
Körper, beflügelt von dem einzigen Gedanken, dem Widersacher vor ihnen möglichst gründlich
den Garaus zu machen. Schon nach einem kurzen Augenblick hatten diese Helden den Mann auf dem Rad vor sich bis auf
wenige Meter eingeholt und sahen, wie dieser an einem Brot kauend entspannt vor sich hin rollte. Mit
beträchtlicher Geschwindigkeit und kurzem, aber bestimmenden Gruss, der zwar freundlich, doch unüberhörlich
triumphierend anmutete, rollten sie an dem Eingeholten vorbei.
Die Geschwindigkeit drosselten die Männer des RSC allerdings nicht. Der Triumph sollte von prachtvoller
Herrlichkeit sein.
Einige Kilometer weiter, das Tempo immer noch sehr, sehr hoch, vernahm der
letzte Fahrer in Reihen der RSC Männer das Surren einer Fahrradkette hinter sich und ein
Geräusch zweier Reifen, die sich mit hoher Geschwindigkeit über den Asphalt bewegten. Zuerst wagte er nicht
zurückzuschauen, doch als dieser Laut permanent hinter ihm zu sein schien, lugte er unter seinem Arm
hindurch nach hinten. Als er erblickte, was er gehört
hatte, war ihm nicht länger gut zu mute. Doch er sagte nichts, aus Angst seine Mitstreiter zu beunruhigen.
Doch als der Vorderste seinen Platz abgab, um im Windschatten neue Kraft zu sammeln, erblickte er
den fremden Radfahrer. Für einen Augenblick stockte ihm der Atem und er reihte sich hinter dem „blinden
Passagier“ ein. Es war der Radfahrer, der einige Kilometer weiter unten noch gemütlich sein Brot verzehrt hatte.
Er hatte die RSC Fahrer, die sich so eisern den Anstieg hinaufgekämpft hatten, wieder eingeholt.
Die Steigung wurde stärker und inzwischen hatte sich die Anwesenheit des fremden Radfahres bis zum
Tempomacher durchgesprochen. Die Geschwindigkeit musste jetzt um jeden Preis gehalten werden. Sämtliche Energien wurden
mobilisiert und dennoch geschah es, dass das Feld nun langsam aber sicher auseinander riss. Der Fremde blieb
hartnäckig hinter dem Tempomacher.
Einen nach dem anderen der RSC Fahrer verliessen nun die Kräfte. Sie kämpften
und gaben alles. Doch der Fremde liess sich nicht abschütteln. Als nun auch den Stärksten unter den
Vereinsgenossen die Luft ausging, übernahm der Fremde die Führung. Nach einigen anstrengenden hundert
Metern drehte dieser Mann seinen Kopf und beäugte, wie sich seine Widersacher gegen die drohende Niederlage
wehrten. Einen Moment verharrend, die Qualen seiner Gegner geniessend, rief er diesen nun zu: „Jetzt schaun mer
mal wer noch Luft hat!“ Kaum ausgesprochen schaltete dieser in einen höheren Gang und gewann sogleich mit
jedem Tritt Meter um Meter Abstand zu den RSC Männern. Langsam aber sicher verschwand seine Silhouette auf
der langezogenen Strasse hinauf nach Lindenfels. Die RSC Männer waren zerstört. Das war das einzige
Mal, dass sie den "Zerstörer" sahen.
Vielleicht fährt er immer noch durch die Strassen des vorderen Odenwaldes... Jedenfalls ist seit diesem Tage
diese Strecke unter dem Namen „Zerstörerland“ bekannt, da die
Männer des RSC von diesem Radfahrer zerstört wurden.
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